Im Dezember 2016 geht im Norden des US-Bundesstaats Arkansas ein neuer Flachstahlkomplex in Betrieb. SMS hat für das Werk von Big River Steel alle Anlagen von der Stahlerzeugung bis zur Bandveredelung geliefert und automatisiert. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass es gleichzeitig das erste vollständige digitale Stahlwerk der Welt sein wird. Auch hier ist SMS group Partner von Big River Steel. Dazu kommt, dass wir umfangreiche Services für das neue Werk übernehmen. Wir beschaffen und lagern Ersatzteile oder übernehmen die Wartung ganzer Anlagen in eigens dafür eröffneten Werkstätten. Big River Steel wird damit zum Proof-of-Concept unserer Philosophie der „Lifecycle Partnership“.
Elektrik und Automation
Über viele Jahrzehnte liegt unser Fokus auf Neuanlagen oder Modernisierungen sowie der Fertigung der wichtigsten Komponenten in den eigenen Werkstätten. Unter Services im heutigen Sinne fällt viele Jahre die Lieferung von Ersatzteilen. Doch in der Regel endet ein Projekt mit der finalen Abnahme einer Anlage.
Ein Umdenken beginnt, als Ende der 1970er Jahre die ersten technologischen Regelsysteme und Prozessmodelle Einzug in Stahlwerke halten. SMS erkennt, dass man ohne eigene Kompetenzen in diesem Bereich in vielen Projekten zum Juniorpartner zu werden droht. Mitte der 1980er Jahre beginnt deshalb der Aufbau der Abteilung Elektrik und Automation. Man startet mit Prozessmodellen wie der Stichplanberechnung oder Planheitsregelung in Flachwalzwerken. Schon in den 1990er Jahren liefern wir die komplette Elektrik und Automation beispielsweise für CSP®-Anlagen und decken ab Mitte der 2000er Jahre auch in diesem Bereich die gesamte Prozesskette ab.
Zu einem Alleinstellungsmerkmal wird das Testen der gesamten Automation im Plug & Work-Verfahren. 2004 beschreibt unsere Kundenzeitschrift diesen Ansatz erstmals für eine Glühlinie von US Steel Kosice. Dabei wird die gesamte Automation inklusive der Sensoren und Aktoren auf Servern installiert und gegen eine „virtuelle Anlage“ simuliert. Auf diese Weise werden Probleme frühzeitig erkannt und gelöst, so dass die Inbetriebnahme im Werk schnell und reibungslos gelingen kann. Gleichzeitig werden die Betriebsteams des Kunden bei den Plug & Work-Tests geschult.
Das Grundkonzept des Integrationstests ist bis heute erhalten geblieben und hat sich doch weiterentwickelt. Die „virtuelle Anlage“ wird zum digitalen Zwilling, der nicht nur Produktionsabläufe nachbildet, sondern auch zum Testen neuer Produkte oder Produktionsroutinen eingesetzt wird oder in Kombination mit künstlicher Intelligenz kritische Aspekte von Prozessen, Anlagenzustand und Verfügbarkeit sowie Produktqualität vorhersagt.
Technischer Service
Die Anfänge des Technischen Service lassen sich nicht so genau festlegen, denn die Lieferung von Ersatzteilen oder Reparaturen gehörten von Anfang an dazu. 1982 erfolgt die Gründung eines eigenen Bereichs innerhalb der SMS, der langsam aber stetig ausgebaut wird. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Service-Werkstätten, die ab den 2000er Jahren in allen wichtigen Märkten entstehen. Eine Vorreiterrolle spielen die USA, wo wir früh mit rund 20 Werkstätten vertreten sind und somit allen Stahlherstellern Services wie die Beschichtung von Rollen oder die Überholung von Stranggusssegmenten praktisch vor ihrer Haustür anbieten können. 2006 eröffnet SMS die erste Service- und Reparaturwerkstatt in China, 2014 folgt die Werkstatt in Khordha / Bhubaneswar für den indischen Markt.
Gleichzeitig mit der geographischen Expansion erweitern wir das Portfolio unserer Services. Nehmen dem klassischen After-Sales-Geschäft übernimmt der SMS Service auch kleinere und größere Modernisierungen, baut das Consulting-Geschäft auf und vermittelt Know-how im Rahmen von Trainings. Doch der größte Schritt ist sicher die Übernahme der gesamten Wartung von Anlagen inklusive der Verantwortung für die Betriebsbereitschaft. Damit beginnt eine Integration in die Prozesse und Abläufe im Werk, die uns wirklich zum Partner des Kunden werden lassen. Der nächste logische Schritt ist dann in den 2020er Jahren eine Abrechnung auf Basis der Resultate wie Verfügbarkeit oder sogar Bereitstellung von Anlagen oder Werkstätten im Rahmen von EaaS-Modellen.
Digitalisierung
Ähnlich stringent wie im Bereich Elektrik und Automation geht SMS in den 2010er Jahren beim Aufbau von Digitalisierung vor. Zunächst wird SMS digital als Start-up ausgegliedert, aber dann schnell in die bestehenden Strukturen der SMS group integriert. Damit ist Digitalisierung fester Teil aller Produkte und Projekte. Von Beginn an war die Vision der SMS digital das lernende Stahlwerk, dass mit Big River Steel 2016 auch erstmalig realisiert wurde.
Das lernende Stahlwerk setzt darauf Daten aus den Prozessen und Anlagen zu generieren, diese anzureichern und zu ordnen und somit in Informationen zu verwandeln, die durch digitale Tools verwendet werden können. Diese können dann mittels künstlicher Intelligenz und prädiktiver Algorithmen Ereignisse in der Zukunft voraussagen und dem Bediener entsprechende Gegenmaßnahmen vorschlagen. Vor allen in den Bereichen Anlagen und Prozessüberwachung, Produktqualität und Produktionsplanung sowie Energiemanagement konnte die SMS digital mit diesem Ansatz große Erfolge erzielen.
SMS group als Lifecycle Partner
Heute hat sich die Vision des lernenden Stahlwerks weiterentwickelt durch eine noch engere Verzahnung zwischen Digitalisierung und der Anlagenautomation auf der einen Seite sowie technischen Services und disruptiven Geschäftsmodellen auf der anderen Seite ermöglicht SMS group es seinen Kunden, periphere Aufgaben, wie etwa die Wartung und Instandhaltung komplett durch SMS group handhaben zu lassen. Es entsteht ein autonomes Werk, dass es Betreibern ermöglicht sich voll und ganz auf das zu konzentrieren, was sie am besten können: Metalle produzieren!